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Kompetenz- und Alltagstraining - Wie uns die Weisheit einer Katze weiterbringt

Teil V: Acht Gründe, warum man sich Ziele setzen sollte

Beinahe alle Menschen sind auf der Suche nach Erfolg und Zufriedenheit. Dazu gibt es im Wesentlichen zwei Ansätze. Die einen sagen: „Ich will die Gegenwart ausgiebig genießen und nicht im Schatten solcher Fragen verweilen, die sich mir erst morgen stellen.“ Andere wiederum antworten: „Ich will mein Leben gestalten, indem ich mich Schritt für Schritt auf zuvor gesteckte Ziele zubewege.“ Das Problem bei zielorientierten Menschen könnte sein, dass sie sich zu sehr auf einzelne Vorhaben versteifen und dabei ebenso wichtige Dinge vernachlässigen. Wer dagegen ausschließlich auf die Gegenwart schaut, findet sich ohne konkrete Richtung möglicherweise rasch in unerwünschten Situationen wieder, in denen es zunehmend schwerer fällt, den Weg zu genießen, weil dieser immer steiniger wird. Dass Jochen Hermann die Zielorientierung favorisiert, ist während des bisherigen Alltagstrainings bereits deutlich geworden. Entsprechend bemüht er jetzt auch eine Szene aus dem Märchen „Alice im Wunderland“, bei der das Mädchen unentschlossen an einer Straßengabelung steht und eine ebenfalls anwesende Katze nach dem richtigen Weg fragt. „Das hängt davon ab, wo du hinwillst!“, antwortet das Tier schlicht und verschwindet wieder. Kurzes Innehalten – in Gedanken muss sich aber jeder eingestehen, dass die Katze trotz ihrer lapidaren Bemerkung natürlich Recht hat. Hermann benutzt Zahlen aus allgemein zugänglichen Publikationen und stellt in den Raum, ob es denn wirklich purer Zufall sein könne, dass nur knapp 4 % der Menschen ihre Ziele schriftlich definieren, gleichzeitig aber über 60 % des gesamten Vermögens besitzen? Unter den Schülerinnen und Schülern im Musiksaal bleibt es still, vereinzelt wird leicht der Kopf geschüttelt. „Also“, ruft Hermann, „fangt an, euch Ziele zu setzen!“

jeanny91: jugendfoto.de

Das Plenum erarbeitet sich nun acht Gründe, warum eine konkrete Zielsetzung mit Vorteilen verbunden ist:

1) Ziele steuern die eigene Wahrnehmung. Plötzlich entdecken wir überall im Alltag entsprechende Hinweise. Wenn wir uns für Vögel interessieren, hören wir jetzt dauernd welche singen oder rufen. Bisher hatten wir diese kleinen Kulturfolger in unserem Umfeld gar nicht richtig wahrgenommen, da der Fokus auf anderen Dingen lag. Doch nun sind wir durch die gesetzten Ziele „geeicht“, was wie ein Wegweiser wirkt.

2) Ziele unterstützen unser Lernen. Wenn ich mich auf den Weg zu meinem Ziel mache, bin ich für alles aufmerksam, was dafür wichtig sein könnte. Durch Teilerfolge steigern sich automatisch mein Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl. Damit erschließe ich mir in allen Lebensbereichen neue Perspektiven.

3) Ziele geben Kraft zum Anfangen. Warum sollte ich mich abmühen, Energie und Zeit investieren, wenn ich nicht weiß wofür?

4) Ziele motivieren zum Weitermachen, wenn wir einen Durchhänger haben. Wir können, bildlich gesprochen, nicht immer mit 220 km/h über die Autobahn preschen. Wir brauchen regelmäßige Ruhepausen oder haben ab und zu einen schlechten Tag. Ziele geben uns die Kraft, auch dann weiterzumachen, wenn es mal nicht so gut läuft.

5) Ziele machen Erfolg messbar. Woher soll ich wissen, ob ich erfolgreich bin, wenn ich nicht weiß, was für mich persönlich als Erfolg zu werten ist?

6) Ziele lösen das Gefühl der Vorfreude aus. Worauf soll ich mich freuen, wenn ich nichts erwarte? Wenn wir mobile Unabhängigkeit über den Erwerb des Führerscheins erlangen wollen, fiebern wir der Fahrprüfung entgegen, weil wir uns auf den einzigartigen Moment der Übergabe freuen, sobald alles überstanden ist.

7) Ziele schaffen Prioritäten. Manchmal bricht alles über uns zusammen. Was soll ich zuerst erledigen? Wie teile ich meine Zeit ein? Wenn wir wissen, welches Etappenziel als nächstes ansteht, dann wissen wir auch, in welcher Reihenfolge wir nun vorgehen müssen.

8) Ziele helfen, begründete Entscheidungen zu treffen. Ich treffe meine Entscheidungen danach, ob sie mich meinen Zielen näher bringen oder nicht.

Nach dieser produktiven Arbeitsphase entlässt Hermann die Schüler in eine kurze Pause. Einige der Jugendlichen bleiben aber im Raum und wollen wissen, wie sich eigentlich der Tanzlehrer bisher durchs Leben „geschlagen“ hat. Ob es denn stimme, dass er sich selbst das Klavierspielen beigebracht habe, will ein Mädchen wissen. Hermann dreht sich zum Flügel und lässt seine Hände über die Tasten wirbeln. Angenehme Melodien durchdringen das Gebäude bis in die Aula hinein. Kursteilnehmer und zwei neugierige „Zaungäste“ tauschen anerkennende Blicke aus. Hermann fungiert in diesem Moment als personifizierter Beleg für den Erfolg der angepriesenen Zielorientierung. „Sie können doch auch ganz gut singen“, stellt ein Junge mit aufforderndem Unterton fest. Hermann nickt: „Dafür habe ich aber seit meiner Kindheit hart arbeiten müssen und nehme auch heute noch regelmäßig Gesangstunden.“ Als Kostprobe hören die Schüler eine kurze Audiosequenz. Hermann füllt hier akustisch ohne technische Hilfsmittel mit klassischem Gesang ein ganzes Kirchenschiff aus. Spätestens jetzt wird jedem klar, was mit einem planvollen Vorgehen alles erreichbar ist.

Nach fünf Einheiten des Alltagstrainings wird nun gemeinsam Rückschau gehalten. Die Schüler bekommen ein Skript, in dem alle wichtigen Erkenntnisse noch einmal festgehalten sind. Natürlich steht auch eine Runde des Feedbacks an. Allgemein wird bedauert, dass dieser Kurs nicht länger dauert. Die Rückmeldungen fallen durchweg positiv aus. Ganz am Ende sagt ein Schüler: „Nach zehn Jahren Schule habe ich das erste Mal Sachen gelernt, die man im Alltag auch direkt anwenden kann – so etwas hat eigentlich immer schon gefehlt.“ Ein Hinweis mit wegweisendem Charakter? Die GWRS Villingendorf wird die Kooperation mit der Tanzschule Herzig jedenfalls fortsetzen.