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Kollegium

„Unser Gehirn ist mit Multitasking überfordert“

Der Arbeitskreis Schule-Wirtschaft Region Rottweil bietet seit fünf Jahren eine Vortragsreihe an, bei der wissenschaftliche und empirische Erkenntnisse sehr praxisnah vermittelt werden. Mit Dr. Volker Busch, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, referierte nun erneut ein bekannter Experte im Rottweiler Sonnensaal des Kapuziners. Mit zahlreichen Alltagsbezügen, praktischen Tipps und viel Humor widmete er sich dem Thema „Gehirngerechtes Arbeiten in digitalen Zeiten“. Über zwei kurzweilige Stunden zog er die zahlreichen Gäste aus Schulen und Wirtschaft in seinen Bann, darunter fünf Kollegen aus der GWRS Villingendorf.

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Dr. Volker Busch referiert kurzweilig

Ein heute lebender Zeitgenosse wird während seines Lebens in der Summe etwa 22 Jahre schlafen, 17 Jahre arbeiten, nur ein Jahr Sport treiben, sechs Monate küssen und sich vier Tage lang seine Schuhe zubinden. Er wird aber auch zehn Jahre fernsehen, sieben Jahre telefonieren, sechs Jahre im Internet zubringen und allein über acht Monate hinweg E-Mails lesen. Angesichts dieser Zahlen ist es beruhigend, dass digitale Medien kein Auslöser für Demenz seien, wie Busch mit einem Augenzwinkern anmerkte.

Allerdings könne das Gehirn mit der permanenten Reizflut nur schlecht umgehen. Ständige Erreichbarkeit, der Versuch des Multitaskings, häufige Unterbrechungen und Hektik kennzeichnen heute vielfach den Arbeitsalltag: alles soll möglichst gleichzeitig erledigt werden. Das dauernde Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Impulsen stelle eine der Hauptursachen für beruflichen Stress dar. Das könne fahrig, unkonzentriert und auch krank machen, unterstrich Busch.

Unser Gehirn besitzt mit den Stirnlappen eine Art Kommandozentrale, von der alle anderen Geistesleistungen gesteuert und koordiniert werden. Kreativität, Handlungsplanung, Entscheidungsfindung und Impulskontrolle – alles wird von dieser Hirnregion verantwortet. Damit dieses System optimal funktionieren kann, sind Konzentration und Aufmerksamkeit Grundvoraussetzung. Hauptgrund für Arbeitsunterbrechungen stelle mittlerweile das Smartphone dar. Fast die Hälfte der Wachzeit sei unser Geist abgelenkt und gehe entsprechend auf Wanderschaft, referierte Busch.

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Die ständige Online-Präsenz müsse kritisch gesehen werden. Denn zum Multitasking sei der Mensch im Grunde gar nicht fähig. Die Wissenschaft wisse bereits länger, dass Details nacheinander verarbeitet werden – das Gehirn schaltet zu diesem Zweck immer hin und her. Zu viel gleichzeitiger Input schwächt aber die Filterung relevanter Informationen und sinnvoller Entscheidungsfindung. Busch schätzte, dass Multitasking weltweit einen Schaden von etwa 590 Milliarden Dollar pro Jahr verursache. Allein 20 Prozent der Arbeitsstunden gingen dadurch verloren, dass wir mehrere Sachen gleichzeitig von unserem Gehirn wollen. Bei jeder noch so kurzen Unterbrechung dauere es bis zu acht Minuten, bis man sich wieder voll auf die vorherige Aufgabe konzentrieren könne.

Busch ist ein Verfechter von kleinen Pausen, die über den Tag verteilt sein sollten. In allen Ruhephasen, die nicht von weiteren Reizen unterbrochen werden, leiste das Gehirn Schwerstarbeit: es sortiere, bewerte, verknüpfe und lösche Informationen, die zuvor aufgelaufen seien. „Beobachten Sie an der Bushaltestelle einfach mal wieder Tauben, anstatt sofort wieder online verfügbar zu sein“, riet Busch seinen Zuhörern. Zudem sollte sich jeder täglich ein Zeitfenster für konzentriertes Arbeiten festlegen, eine „tiefe Stunde“. Offline, Telefon auf stillen Anrufbeantworter umgestellt, deaktiviertes E-Mail-Programm: hier dürfe keine Bereitschaft zum Multitasking bestehen. Wer auf diese Weise endlich mal wieder konzentriert und zielgerichtet zu guten Ergebnissen kommen könne, merke rasch, wie die digitale Autobahn unseren sonstigen Alltag dominiere. „Gönnen Sie sich die Ruhe“, appellierte Busch ans Plenum, „Ihr präfrontaler Kortex wird es Ihnen danken!“ Weitere praktische Tipps rundeten das Thema und den hochinteressanten Abend ab.